Vom Holzradio bis zur Smart-Welt: 50 Jahre Kommunikation
- 25.10.2025 11:34
- Türkei
Vom Holzradio meines Großvaters bis zur modernen Smart-Welt
Warme Lampen, warme Erinnerungen
Es sind inzwischen vierundfünfzig Jahre vergangen, seit ich zum ersten Mal das hölzerne Transistorradio meines Großvaters eingeschaltet habe – diese kleine, magische Kiste, die die ganze Welt in sich trug.
Man konnte es nicht einfach einschalten und sofort etwas hören. Zuerst machte es klick, dann begann es leise zu summen.
Wir warteten. Die Radiolampen mussten sich aufwärmen. Diese kurzen Sekunden der Stille waren erfüllt von Spannung und Erwartung.
Und dann kam die Stimme: „Hier ist der Türkische Rundfunk, Ankara...“ – und der ganze Raum wurde lebendig.
Anfang der 1970er-Jahre war das Radio das Herz der Kommunikation in den türkischen Kleinstädten und Dörfern.
Das Fernsehen gab es nur in den großen Städten. Für uns war das Radio Freund, Lehrer und Fenster zur Welt zugleich.
Nachrichten, Volkslieder, Hörspiele – sie verbanden die Menschen miteinander. Das Knacken aus dem Lautsprecher war Musik des Alltags.
Als das Licht des Fernsehens in die Kleinstädte kam
In den frühen 1970er-Jahren begann der türkische Sender TRT mit regelmäßigen Fernsehübertragungen in den Großstädten.
Ein Fernseher im Haus zu haben, galt damals als Zeichen des Fortschritts.
In kleineren Städten tauchten die ersten Geräte meist Mitte bis Ende der 1970er-Jahre auf.
Die Sendungen waren noch schwarz-weiß und dauerten nur wenige Stunden am Tag, doch sie zogen alle in ihren Bann.
Das Haus mit dem Fernseher wurde zum Treffpunkt der Nachbarschaft.
Frauen saßen auf Kissen, Kinder auf dem Teppich, Männer schauten schweigend auf den flackernden Bildschirm.
Zum ersten Mal sah man das, was man früher nur gehört hatte: Nachrichtensprecher, Musiker, Schauspieler – die ganze Welt in Bildern.
Mit dem Fernsehen öffnete sich ein neues Fenster in den Alltag.
Mit der Einführung des Farbfernsehens Mitte der 1980er-Jahre veränderte sich alles erneut.
In Teestuben und Cafés standen große Fernseher, Menschen versammelten sich, um Fußballspiele und Shows gemeinsam zu sehen.
Das Fernsehen war nicht mehr nur Informationsquelle, sondern Mittelpunkt des sozialen Lebens.
Der erste Klang des Haustelefons
Ende der 1980er-Jahre erklang in türkischen Städten ein neuer Ton: das schrille Drrrrring! eines Telefons.
Anfangs gab es Telefone nur auf der Post oder im Rathaus. Wer telefonieren wollte, musste warten, bis der Beamte die Verbindung herstellte.
In den frühen 1990er-Jahren hielten Telefone Einzug in die Wohnungen. Es war ein Grund zum Stolz.
Man stellte sie an den schönsten Platz, oft mit einer gehäkelten Decke darunter.
Ein Telefon bedeutete: „Wir sind modern.“
Das rhythmische Klick-Klick-Klick der Wählscheibe gehörte bald zu den vertrauten Geräuschen des Alltags.
Nun konnte man in wenigen Minuten mit Verwandten in der Stadt sprechen – eine Revolution.
Die Mobilfunk-Revolution: Eine Stimme in der Tasche
Mitte der 1990er-Jahre begann in der Türkei die Ära der Mobiltelefone.
Anfangs waren sie groß, schwer und teuer, und der Empfang war schlecht.
Doch gegen Ende des Jahrzehnts änderte sich alles.
In kleinen Städten sorgte der Anblick eines Menschen mit ausgezogener Antenne für Aufsehen.
Um die Jahrtausendwende hatte fast jeder ein Handy – auf dem Markt, im Bus, auf dem Feld.
Zum ersten Mal war Kommunikation wirklich mobil.
Dann kamen SMS-Nachrichten.
Kurze, aber gefühlvolle Botschaften wie
„Gute Nacht“, „Wie geht’s?“ oder „Ich vermisse dich“.
Wenige Wörter konnten ganze Geschichten erzählen.
Der Beginn des Internet-Zeitalters
Die Türkei erhielt ihre erste Internetverbindung 1993, doch in die Kleinstädte kam das Netz erst Anfang der 2000er-Jahre.
Zuerst öffneten Internetcafés.
Nach der Schule stürmten Jugendliche hinein, richteten E-Mail-Adressen ein, spielten Spiele oder chatteten.
Das Pfeifen des Modems wurde zum Klang einer neuen Generation.
Webseiten luden langsam, aber die Neugier war grenzenlos.
Die Menschen wurden nicht mehr nur Zuhörer – sie wurden Forscher, Schreiber und Gestalter.
Mit der ADSL-Technologie hielt das Internet Einzug in die Häuser.
Geschäftsleute bestellten Waren online, Schüler machten ihre Hausaufgaben, Lehrer trugen Noten ein, Bauern verfolgten die Wettervorhersage.
Die Welt war plötzlich nur noch einen Klick entfernt.
Die Ära der sozialen Medien: Ein neues Gespräch
Ab den 2010er-Jahren änderte sich die Kommunikation grundlegend.
Facebook, Instagram, YouTube und Twitter wurden Teil des Alltags – selbst in den abgelegensten Städten.
Nachrichten kamen nicht mehr aus der Zeitung, sondern vom Smartphone.
Ankündigungen, die früher über Lautsprecher auf dem Marktplatz verbreitet wurden, erscheinen heute in WhatsApp-Gruppen.
Hochzeiten, Trauerfeiern, Ernten – alles wird live geteilt.
Jeder ist zu einem kleinen Sender geworden.
Für lokale Händler war das eine Revolution.
Der Ladenbesitzer, der früher auf Kunden wartete, warb jetzt online für seine Produkte.
Junge Menschen hielten über soziale Netzwerke Kontakt mit Freunden in Istanbul oder im Ausland.
Der Dorfplatz verlagerte sich in die digitale Welt.
Das smarte Zeitalter: Mensch und Maschine im Dialog
Heute, in den 2020er-Jahren, sind selbst kleine Städte vollständig vernetzt.
Smartphones, Tablets und WLAN gehören zum Alltag.
Rechnungen werden online bezahlt, Navigations-Apps zeigen den Weg, und das Wetter wird per Sprachbefehl abgefragt.
Künstliche Intelligenz ist längst Teil unseres Lebens geworden.
Landwirte nutzen Sensoren zur Messung der Bodenfeuchtigkeit und zur automatischen Bewässerung.
Schüler lernen online, Lehrer unterrichten aus der Ferne.
Sprachassistenten lesen Nachrichten vor und übersetzen fremde Wörter in Sekunden.
Was früher Science-Fiction war, ist heute Normalität.
Kommunikation findet nicht mehr nur zwischen Menschen statt – auch Maschinen reden miteinander.
Die Geduld der Vergangenheit, die Geschwindigkeit der Gegenwart
Das Radio meines Großvaters – jenes, das erst warm werden musste – mag heute wie ein Relikt erscheinen, doch es war ein Lehrer.
Es lehrte Geduld.
Es zeigte, dass Information kostbar ist und das Warten ihr Bedeutung verleiht.
Heute geschieht alles sofort.
Nachrichten erscheinen auf dem Bildschirm, bevor wir blinzeln können.
Doch das leise Gefühl der Erwartung, die Freude auf die erste Stimme – das ist verloren gegangen.
Trotzdem bleibt der Kern der Kommunikation derselbe: das Bedürfnis, verbunden zu sein.
Wir haben nur die Werkzeuge geändert – Briefe wurden zu Pixeln, das Rauschen des Äthers zu digitalen Signalen.
Vom Holzradio zur Smart-Welt
Der Weg vom Transistorradio meines Großvaters bis zur Ära der künstlichen Intelligenz ist nicht nur eine technische, sondern eine menschliche Geschichte – die Geschichte von Neugier, Kreativität und dem Wunsch, zu verstehen.
Früher warteten wir, bis die Röhren warm wurden; heute tippen wir auf den Bildschirm und erreichen das andere Ende der Welt in Sekunden.
Vielleicht werden unsere Enkel in fünfzig Jahren auf unsere Smartphones blicken und lächeln:
„Wie altmodisch!“
Und vielleicht beginnt einer von ihnen seine eigene Geschichte mit den Worten:
„Es sind vierundfünfzig Jahre vergangen, seit ich das Smartphone meines Großvaters zum ersten Mal gesehen habe.“
Denn egal, wie weit sich die Technologie entwickelt – eines wird sich nie ändern:
die Freude, miteinander zu sprechen, Momente zu teilen und auf der anderen Seite eine Stimme zu hören.
Über den Autor
Mehmet Kılıç wurde 1963 in Hatay geboren, seine Wurzeln liegen jedoch in Malatya.
Er interessiert sich leidenschaftlich für Technologie, Geschichte und menschliche Geschichten.
In seinen Texten verbindet er Vergangenheit und Gegenwart und beleuchtet den Menschen hinter dem Wandel.
Er arbeitet bei Vigo Tours als Tour-Operationsmitarbeiter und ist zudem ein engagierter Vogelbeobachtungsführer.
E-Mail: [email protected]